Kaufentscheidung und zugrundeliegende Kaufpreiskalkulation hängen vorwiegend davon ab, welche Erwartungen der Erwerber an die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Zielunternehmens stellt. Der Käufer wird zur genauen Berechnung des Kaufpreises vor allem auf die Unternehmenszahlen des/der zuletzt aufgestellten ein bis drei Jahresabschlüsse als verlässliche Kalkulationsbasis abstellen. Aus diesem Grund hat er ein besonderes Interesse daran, sich von dem Verkäufer die Richtigkeit des vorgelegten Zahlenwerks bestätigen und garantieren zu lassen.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass in Unternehmenskaufverträgen regelmäßig der Ausschluss des gesetzlichen Gewährleistungssystems (§§ 434ff. BGB) vereinbart wird, weil der gesetzliche Mangelbegriff und das Rechtsfolgenregime dieser Vorschriften, die auf den Kauf eines einzelnen Gegenstands zugeschnitten sind, den Besonderheiten eines Unternehmenskaufs nicht ausreichend gerecht werden. Daher wird im Unternehmenskaufvertrag ein eigenständiges und abschließendes Haftungssystem etabliert, das im Rahmen der gesetzlich zulässigen Weise von den Parteien individuell ausgehandelt werden kann.
Die Bilanzgarantie stellt ein selbstständiges und verschuldensabhängiges Garantieversprechen des Verkäufers (Vgl. § 311 Abs. 1 iVm § 241 Abs. 1 BGB) dar, in der dieser typischerweise die „Richtigkeit“ des jeweiligen Jahresabschlusses des Unternehmens bzw. dessen ordnungsgemäße Aufstellung garantiert. Sie beinhaltet gewöhnlich die Zusicherung des Verkäufers, dass die Referenzabschlüsse „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unter der Beachtung gesetzlicher Vorschriften sowie der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (siehe: § 243 Abs. 1 HGB) aufgestellt wurden“ und dass „in den Abschlüssen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens- und Finanz- und Ertragslage der Zielgesellschaft am zurückliegenden Bilanzstichtag“ vermittelt wird. Der Verkäufer muss durch die Abgabe des verschuldensunabhängigen Garantieversprechens auch ohne ein vorhergehendes eigenes Verschulden dafür einstehen, dass zum Bilanzstichtag die bilanziellen Kennziffern ein tatsächlicher Spiegel des Zielunternehmens sind, d.h. die tatsächliche Unternehmenslage der Bilanz entspricht.
Da diese Haftung aufgrund der bestehenden Fehleranfälligkeit von Jahresabschlüssen im Einzelfall sehr ausufernd sein kann, sollte der Haftungsrahmen des Garantieversprechens mit der anderen Partei verhandelt, klar durch entsprechende Formulierungen im Vertrag definiert und interessengerecht eingegrenzt werden. Selbstverständlich hat der Käufer ein großes Interesse an einer möglichst weitgehenden Garantie und einer weitgehenden Haftung des Verkäufers für den Fall, dass sich die von dem Verkäufer zugesicherten Umstände im Nachhinein als falsch erweisen und sich eine Unrichtigkeit des Jahresabschluss/der Jahresabschlüsse ergibt. Umgekehrt hat der Verkäufer ein nachvollziehbares Interesse daran, dass im Garantiefall seine Haftung möglichst weit limitiert ist und er nur für Tatsachen haften muss, die er bei Abgabe des Garantieversprechens kennt bzw. kennen kann und die er beeinflussen kann.
Grundsätzlich existieren zwei Arten von Bilanzgarantien: die objektive (harte) Bilanzgarantie und die subjektive (weiche) Bilanzgarantie.
Exkurs: Erfahrungen eines spezialisierten Versicherungsmaklers
Als auf M&A-Versicherungen spezialisierter Versicherungsmakler möchten wir einen kurzen Überblick über Risikotransferlösungen via Versicherungslösungen für Bilanzgarantien geben sowie Ihnen unseren Eindruck von den Marktentwicklungen der letzten Monate schildern. (weiterlesen) Eng am Thema „Bilanzgarantien“ ist das Thema M&A-Versicherung angesiedelt, geht es doch letztlich darum Risiken von der Bilanz einer oder beider Parteien auf den Versicherungsmarkt zu transferieren. Häufig werden diese Optionen verzahnt mit einer <a href="https://warranty-and-indemnity.com/ma-versicherungen/insurance-due-diligence/">Insurance Due Diligence</a>, die es zur Aufgabe hat z.B. nicht oder falsch bilanzierte Risiken offenzulegen (z.B. unzureichende Rückstellungen für Schadenfälle). Dies ist explizit in Fällen einer „weichen Bilanzgarantie“ der Käuferseite anzuraten, um mögliche „Red Flags“ aufzudecken. Parallel zur Insurance Due Diligence wird – einen gewissen Reifegrad des M&A Vertrages vorausgesetzt – mit der Konzeption eines M&A Versicherungskonzept begonnen, um „unerwünschte“ Garantien & Gewährleistungen aus Verkäufersicht bzw. Risiken für den Käufer an den Versicherungsmarkt zu übertragen.<o:p></o:p></p>
<p style="text-align: justify;">Die hierbei angewendeten M&A Versicherungslösungen lassen sich grundsätzlich in zwei Cluster unterteilen. Hier sind zum einen Lösungen für zum Zeitpunkt der Transaktion unbekannte Risiken (die sogenannte <a href="https://warranty-and-indemnity.com/ma-versicherungen/warranty-indemnity-versicherung/">W&I-Versicherung</a>) anzuführen, als auch Lösungen für zum Zeitpunkt der Transaktion bereits bekannte Risiken. Letztere sind als sogenannte Contingency Risk Insurance-Lösungen bekannt. In der Praxis beschränkt sich das weite Feld an denkbaren Optionen fast ausschließlich auf Lösungen für Umwelt-, Steuer- oder Rechtsstreitigkeitsrisiken.<o:p></o:p></p>
<p style="text-align: justify;">Exemplarisch kann z.B. der Verkäuferseite das Risiko einer Gewährleistung z.B. auf die Richtigkeit einer Rückstellung für einen beginnenden Rechtsstreit als zu riskant erscheinen, sodass eine Versicherungslösung eine hilfreiche Option darstellt. Spiegelbildlich kann dies je nach Ausgestaltungsform („weiche vs. harte Bilanzgarantie“) auch für die Käuferseite relevant sein. Weitere Anwendungsbeispielen und einen detaillierteren Überblick können Sie in den Fachartikeln auf dieser Plattform erlangen (mehr zu M&A Versicherungen).<o:p></o:p></p>
<p style="text-align: justify;">Für den Interessierten ist sicherlich auch das anhaltende Wachstum im M&A Versicherungsmarkt eine gute Nachricht. Hierdurch haben sich weitere Versicherer für den Markteintritt entscheiden mit positiven Effekten für die versicherungsnehmenden Transaktionsparteien. Während in der M&A-Kernversicherung („W&I Versicherung“) sowohl hinsichtlich Konditionen als auch Prozessen stetige Verbesserungen zu verzeichnen sind, lässt sich in der Contingency Risk Insurance z.T. eine Prämienerodierung verzeichnen. Hier ist selbst M&A-versicherungserfahrenen Transaktionsteilnehmern zu raten, sich im Fall der Fälle nicht auf vor Monaten gesammelte Erfahrungen zu stützen, sondern mittels erfahrenen M&A-Versicherungsmaklern den Markt zu befragen.<o:p></o:p></p>
<p style="text-align: justify;">Final lässt sich konstatieren, dass wir für 2018 sehr optimistisch im Sinne unserer Mandanten auf den Markt schauen. Wir erwarten ein weiteres Wachstum an Kapazitäten mit neuen Möglichkeiten Transferlösungen wirtschaftlich und effizient abzubilden. Darüber hinaus werden sich gerade kleinere Marktteilnehmer noch stärker auf bestimmte Risiken spezialisieren mit hier jedoch deutlich gestiegener Leistungsfähigkeit. Die W&I Versicherung wird sicherlich das Hauptwerkzeug bleiben, jedoch deutlich stärker flankiert von alternativen M&A-Versicherungslösungen. Die M&A Versicherung in Deutschland ist also dabei im Interesse eines leistungsstarken M&A Markts sich zu einem festen Bestandteil auf dem Versicherungsmarkt zu etablieren.<br />
„Wir verzeichnen auch in den letzten Monaten ein sehr dynamisches und für den Kunden sehr positives Umfeld bei M&A-Risiken. Risiken und Konditionen, die vor Monaten noch undenkbar waren, werden nun in 2018 offeriert – auch für zum Zeitpunkt der Transaktion bekannte Bilanzrisiken. Die Transaktionsparteien sollten in diesem Umfeld auch vergangene Erfahrungen z.B. hinsichtlich Prämie mit M&A Versicherungen lfd. challengen, um das Optimum in der Transaktion zu erreichen.“Boris Prochazka, Rechtsanwalt bei MRH Trowe M&A Business Solutions
3.2 Kaufpreisanpassungsansatz
Bei diesem Ansatz erfolgt die zu leistende Schadenskompensation nicht auf Ebene der Zielgesellschaft, sondern auf derjenigen des Käufers und wird durch eine Anpassung des gezahlten Kaufpreises erreicht. Begründet wird dieser Ansatz damit, dass der Käufer bei einer Garantieverletzung so zu stellen sei, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, das Unternehmen zu einem günstigeren Kaufpreis zu kaufen. Als Ausgleichsforderung des Käufers ist daher der Betrag zu ermitteln, den der Käufer auf Grundlage der falschen Bilanzangaben „zu viel“ an den Verkäufer gezahlt hat, der sog. Preisdifferenzschaden. Daher sind hier die Faktoren maßgeblich, die die Parteien zuvor bei der Berechnung des Kaufpreises zugrunde gelegt haben. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob zuvor eine Unternehmensbewertung unter Beachtung der „unrichtigen“ Bilanzangaben zu einem geringeren Unternehmenswert geführt hätte. Problematisch ist dabei, dass der vertraglich vereinbarte Kaufpreis und seine Herleitung grundsätzlich auf den besonderen subjektiven Käufermotiven aufbauen und das Ergebnis der Parteiverhandlungen und nicht Ausdruck einer gemeinsamen „objektiven“ Unternehmungsbewertung ist. Im Regelfall ergibt sich die subjektive Kaufpreiskalkulation des Käufers nicht aus dem Unternehmenskaufvertrag. Auch regelt dieser nicht ausdrücklich, wie genau im Falle einer Garantieverletzung der Preisdifferenzschaden zu ermitteln und die Kaufpreisanpassung zu erfolgen hat.
Grundsätzlich ist der vom Verkäufer zu zahlende Betrag unter Berücksichtigung aller für den Erwerb des Unternehmens aus Sicht der Parteien maßgeblichen Umstände zu ermitteln, insbesondere unter Einbeziehung der in der Bilanzgarantie genannten Kriterien. Dabei kann auf verschiedene Maßstäbe abgestellt werden. Zum einen kann eine Unternehmensbewertung anhand des zukünftigen Ertragswerts (Discounted Cash Flow-Verfahren) erfolgen. Weiterhin kann zur Preisermittlung auf gängige Multiplikatoren von Kennzahlen (EBIT, EBITDA, Umsatz etc.) abgestellt werden, die aus anderen Transaktionen, d.h. Käufen von vergleichbaren Unternehmen im Vorfeld der geplanten Transaktion, bekannt sind. Allerdings ist dies nur dann möglich, wenn deren Kaufpreisrelevanz zuvor schriftlich dokumentiert wurde, z.B. im Letter of Intent, Memorandum of Understanding oder Offer Letter. In einem etwaigen Gerichtsverfahren wird die vom Verkäufer zu zahlende Kompensation vom Gericht nach dessen freier Überzeugung geschätzt (vgl. § 287 BGB). Dabei kann das Gericht sich zwar ggf. an den zuvor genannten Überlegungen orientieren, es verbleibt jedoch ein für beide Seiten schwer kalkulierbares Risiko, das durch entsprechend präzise Vertragsgestaltung unbedingt vermieden werden sollte.
3.3 Vertragsgestaltung
Die mit der Vertragsgestaltung bezweckte Risikoallokation stellt sich naturgemäß auf Verkäufer- und Käuferseite diametral gegensätzlich dar. Meist wird es dem Verkäuferinteresse entsprechen, die Zahl der garantierten Jahresabschlüsse zu minimieren, eine weiche Bilanzgarantie zu formulieren und die Schadensersatzpflicht auf reine Bilanzauffüllung zu beschränken. Sinnvoll ist es aus Verkäufersicht ebenfalls, mittelbare Schäden auszuschließen und festzulegen, dass eine (faktische) Minderung des Kaufpreises über die Garantievereinbarung ebenso ausscheidet, wie die Geltendmachung einer Minderung des Unternehmenswertes. Dies ist auf Grund der Privatautonomie rechtlich zulässig. Der Käufer wird allerdings versuchen, entsprechende Klauseln zu verhindern. Ihm geht es umgekehrt darum möglichst viele garantierte Abschlüsse, eine harte Bilanzgarantie, den Ersatz des Preisdifferenzschadens sowie der Festlegung einer exakten Methode seiner Ermittlung.
4. Fazit Bilanzgarantien
Abschließend kann festgehalten werden, dass Bilanzgarantien trotz ihrer großen Bedeutung und dem nicht zu unterschätzenden Haftungsrisiko ein stark vernachlässigtes Thema im Rahmen des Unternehmenskaufs sind. Aufgrund der Komplexität des Themas und den zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten ist allen Parteien dringend zu empfehlen, eine fundierte anwaltliche Beratung in Bezug auf die Ausgestaltung der Bilanzgarantie im konkreten Fall in Anspruch zu nehmen: Nur so kann eine jeweils individuell passende und parteigerechte Formulierung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Garantieverletzung im Unternehmenskaufvertrag erreicht werden.