EuGH-Urteil zur Risikobelegenheit in der Warranty & Indemnity-Versicherung zwecks Bestimmung des Erhebungsstaates der Versicherungssteuer

Vorwort: Wir freuen uns Ihnen aus unserer Reihe M&A-Recht einen Fachbeitrag von Corvin Kosler, Justiziar des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM), zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Verfügung stellen zu können. In diesem wurde zur Thematik des Besteuerungsortes entschieden, die auch bei unseren Mandanten bei grenzüberschreitenden W&I Versicherung-Programmen immer wieder Fragen aufwarfen. Viel Spaß beim Lesen.


Der EuGH hat am 17.01.2019 (Rechtssache C-74/18) entschieden, dass sich die Bestimmung der Risikobelegenheit in der Warranty & Indemnity-Versicherung (W&I Versicherung) bei grenzüberschreitenden Sachverhalten danach richtet, wo der Versicherungsnehmer ansässig ist. Die Ansässigkeit der zu erwerbenden Gesellschaft sei hingegen nicht entscheidend. Bei der W&I Versicherung handelt es sich um eine Transaktionsversicherung, die Risiken aus Garantien, Gewährleistungen und Freistellungen im Rahmen von M&A-Transaktionen absichern soll. Die Versicherung soll daraus resultierende Vermögensschäden absichern. Versicherungsnehmer einer W&I Versicherung können sowohl Unternehmenskäufer als auch der Unternehmensverkäufer sein. Bei grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen stellt sich die Frage, in welchem Staat die Erhebung der Versicherungssteuer erfolgt. Dies hatte nun der EuGH zu entscheiden.

Der Sachverhalt

Der Versicherer „A Ltd“ ist Anbieterin von Versicherungsprodukten mit Sitz in Großbritannien und ist in Finnland mit einer Marktlizenz ohne gesonderte finnische Niederlassung tätig. Die A Ltd stellte beim Zentralen Steuerausschuss in Finnland einen Antrag auf Steuervorbescheid über die Bestimmung des zur Erhebung von Steuern auf Versicherungsprämien berechtigten EU-Mitgliedstaats, wenn entweder der Versicherungsnehmer oder die zu erwerbende Zielgesellschaft des Unternehmenskaufs eine finnische Aktiengesellschaft, die andere Gesellschaft eine ausländische juristische Person ist. Dieser Ausschuss stellte fest, dass auf Versicherungsprämien in Finnland keine Steuern zu entrichten sind, wenn die A Ltd einer finnischen Aktiengesellschaft Versicherungen anbiete und die Zielgesellschaft eine ausländische juristische Person sei. Steuern seien hingegen zu entrichten, wenn ausländische juristische Personen Versicherungen angeboten werden und die Zielgesellschaft eine finnische Aktiengesellschaft sei. Die A Ltd legte Beschwerde gegen diesen Vorbescheid beim Obersten Verwaltungsgerichtshof in Finnland ein und vertrat, dass der Belegenheitsmitgliedstaat das Risiko auf Grundlage des Niederlassungsstaates des Versicherungsnehmers bestimmen müsse.

Entscheidungsgründe

Das oberste finnische Verwaltungsgericht legte dem EuGH einige Fragen zur Entscheidung über die Risikobelegenheit vor. Nach dessen Ausführungen ist für die Auslegung des Artikels 13 Nr. 13 der „Richtlinie 2009/138 vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit“, welches dem „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“, definiert, vorliegend die Auffangregelung des Artikels 13 Nr. 13 d entscheidend.

W&I Versicherung EUGH Urteil

Demnach sei im Zweifel der Sitz der Niederlassung des Versicherungsnehmers ausschlaggebend, auf die sich die Versicherungsverträge beziehen. Weitergehend führte der EuGH aus, dass diese Auffangregelung dem Zweck dient, eine Bestimmung des Ortes zu treffen, an dem ein betriebliches Risiko belegen ist, wenn dieses nicht speziell mit einem Gebäude, einem Fahrzeug oder einer Reise verbunden sei. Für die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, muss jedoch die genaue Tätigkeit identifiziert werden, deren Risiken durch die Versicherung abgedeckt werden soll. Bei einer W&I Versicherung sollen jedoch keine auf dem Betrieb der Zielgesellschaften einhergehenden Risiken abgedeckt, sondern ausschließlich die mit dem Wert der Gesellschaft verbundenen finanziellen Nachteile, die Gegenstand von Zusicherungen beim Unternehmenskaufvertrag waren. Für die Bestimmung des Landes der Versicherungssteuer sei bei der W&I Versicherung somit allein der Sitz des Versicherungsnehmers, nicht jedoch der gekauften Zielgesellschaft ausschlaggebend.

Demnach sei im Zweifel der Sitz der Niederlassung des Versicherungsnehmers ausschlaggebend, auf die sich die Versicherungsverträge beziehen. Weitergehend führte der EuGH aus, dass diese Auffangregelung dem Zweck dient, eine Bestimmung des Ortes zu treffen, an dem ein betriebliches Risiko belegen ist, wenn dieses nicht speziell mit einem Gebäude, einem Fahrzeug oder einer Reise verbunden sei. Für die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, muss jedoch die genaue Tätigkeit identifiziert werden, deren Risiken durch die Versicherung abgedeckt werden sollen. Bei einer W&I Versicherung sollen jedoch keine auf dem Betrieb der Zielgesellschaften einhergehenden Risiken abgedeckt werden, sondern ausschließlich die mit dem Wert der Gesellschaft verbundenen finanziellen Nachteile, die Gegenstand von Zusicherungen beim Unternehmenskaufvertrag waren. Für die Bestimmung des Landes der Versicherungssteuer sei bei der W&I Versicherung somit allein der Sitz des Versicherungsnehmers, nicht jedoch der gekauften Zielgesellschaft ausschlaggebend.


W&I Versicherung EUGH Urteil
 

Zum Autor

Corvin Kosler

Corvin Kosler ist Justiziar beim Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM) und arbeitet dort seit 2013. Beim BDVM ist er Ansprechpartner für Fragestellungen zum Berufsbild des Versicherungsmaklers sowie für die Themen Finanzanlagenvermittlung, Wettbewerbsrecht und Geldwäschegesetz.


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